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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Anzeigenaufnahmepflicht

Ein Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag steht als privates Unternehmen unter dem zivilrechtlichen Schutz der Vertragsfreiheit. Er kann nicht gegen seinen Willen verpflichtet werden, Anzeigen abzudrucken.

Dieser zivilrechtliche Grundsatz wird durch das Prinzip der Pressefreiheit noch verstärkt. Dies hat jedenfalls das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es billigte einer Zeitung ausdrücklich das Recht zu, eine politische Wahlanzeige abzulehnen (BverfG 42, S. 53 ff.). Die Presse, so die Begründung, sei im Wettbewerb um den Wähler nicht zu Neutralität verpflichtet.

Das hatten viele Presserechtler unter Berufung auf die öffentliche Aufgabe der Presse anders gesehen. Ein Kontrahierungszwang leitete sich für sie aus der Monopolstellung bzw. marktstarken Stellung der Zeitung ab. Die Zeitung haben, wenn sie Wahlanzeigen nicht generell ablehnt, eine Gleichbehandlungspflicht gegenüber den Parteien.

Eine solche quasi öffentlich-rechtliche Stellung der Presse gibt es aber nicht – eine solche muss im Sinne der Pressefreiheit geradezu verhindert werden. Eine wesentliche Voraussetzung der umfassenden publizistischen Funktion ist die prinzipielle Unabhängigkeit. Nicht nur durch den redaktionellen Teil, sondern auch durch Anzeigen leistet die Zeitung einen Beitrag zur Information und Meinungsbildung. Im o.a. Urteil des BverfG heißt es deshalb ausdrücklich, dass die von privater Hand betriebene Presse bei der Auswahl und Verbreitung von Nachrichten und Meinungen frei ist.

Aus dem Vorrang der freien Publizitätsentfaltung auch im Anzeigenwesen ergibt sich, dass ein Kontrahierungszwang nicht in Betracht kommen kann. Das gilt dann nicht nur für Wahlanzeigen, sondern für Anzeigen aller Art. Bei nicht politischen Anzeigen kommt für Monopolzeitungen ein Kontrahierungszwang allenfalls dann in Betracht, wenn der Verleger keinerlei stichhaltige publizistische oder wirtschaftliche Gründe für die Abschlußverweigerung geltend machen kann (s. Löffler/Ricker 47. Kap. RN 20). Das dürfte allerdings so gut wie nie vorkommen (s. dazu Löffler Ricker a.a.O. RM 21).