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Online Lexikon Presserecht

Was ist jugendgefährdend?

Bei der Aufzählung jugendgefährdender Inhalte in § 18 JuSchG handelt es sich um einen Beispielkatalog, der durch die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle aktualisiert werden kann. Folgende Indizierungsschwerpunkte haben sich herauskristallisiert:

Mit Gewaltdarstellungen ist die Bundesprüfstelle am häufigsten befasst. Mediale Gewaltdarstellungen gelten als verrohend, wenn

  • Gewalt in großem Stil und in epischer Breite geschildert wird,
  • Gewalt als vorrangiges Konfliktlösungsmittel propagiert wird, wobei auch hier auf die Brutalität der Gewaltdarstellung abgestellt wird,
  • die Anwendung von Gewalt im Namen des Gesetzes oder im Dienste einer angeblich guten Sache als selbstverständlich und üblich dargestellt wird, in Wahrheit aber Recht und Ordnung negiert;
  • Selbstjustiz als probates Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit dargestellt wird;
  • Mord- und Metzelszenen als Selbstzweck und detailliert dargestellt werden.

Die Bundesprüfstelle indiziert z.B. Computerspiele dann, wenn

  • Gewaltanwendung gegen Menschen als einzig mögliche Spielehandlung dargeboten wird,
  • Gewalttaten gegen Menschen deutlich visualisiert bzw. akustisch untermalt werden (blutende Wunden, zerberstende Körper, Todesschreie),
  • Gewaltanwendung (insbesondere Waffengebrauch) durch aufwändige Inszenierung ästhetisiert werden,
  • Verletzungs- und Tötungsvorgänge zusätzlich zynisch oder vermeintlich komisch kommentiert werden,
  • Gewalttaten gegen Menschen dargeboten werden, wobei die Gewaltanwendung „belohnt“ wird (z.B. Punktegewinn, erfolgreiches Durchspielen des Computerspiels nur bei Anwendung von Gewalt).

Die Propagierung und Verherrlichung der nationalsozialistischen Weltanschauung ist nicht ausdrücklich im Beispielkatalog des Jugendschutzgesetzes enthalten, hat sich aber früh in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Eingriffsmöglichkeit erwiesen. Rechtsradikale und neonazistische Medien sind sozialethisch desorientierend. Am häufigsten wird NS-Ideologie in Erlebnis- und Erinnerungsbüchern sowie auf CDs, in Computerspielen und im Internet verbreitet. Dabei verbinden sich NS-Tendenzen mit rassistischen Tönen. Ausländerhass wird geschürt mit Hetzparolen z.B. in dem Computerspiel „KZ-Manager“, wo es darauf ankommt, ein Konzentrationslager mit Türken zu füllen und mit NS-Methoden vorzugehen.

Jugendgefährdende Propagierung der NS-Ideologie liegt vor, wenn

  • wenn für die Idee des Nationalsozialismus, seine Rassenlehre, sein autoritäres Führerprinzip, sein Volkserziehungsprogramm, seine Kriegsbereitschaft und seine Kriegsführung geworben wird,
  • wenn das NS-Regime durch verfälschte oder unvollständige Informationen aufgewertet und rehabilitiert werden soll, insbesondere wenn Adolf Hitler und seine Parteigenossen als Vorbilder (oder tragische Helden) hingestellt werden.

Zum Rassenhass stachelt ein Medium an, wenn

  • wenn Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse, Nation, Glaubensgemeinschaft o.ä. als minderwertig und verächtlich dargestellt oder diskriminiert werden.
    Als sexualethisch desorientierend gelten Medien, wenn,

    • ihre Darstellung von Sexualität den Zielen gefühlsbejahender und normenkritischer Sexualerziehung massiv zuwiderläuft,
    • sie Menschen auf entwürdigende Art zu sexuell willfährigen Objekten degradiert oder ein Medium frauendiskriminierende Praktiken anpreist, sadistische Vorgehensweisen als luststeigernd propagiert oder Vergewaltigung als Lusterlebnis darstellt.

    Schwer jugendgefährdende Medien

    § 15 Abs. 2 JuSchG bestimmt, in welchen Fällen eine schwere Jugendgefährdung für Trägermedien besteht. Schwer jugendgefährdende Medien sind solche, die

    • Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen verbreiten (§ 86 StGB),
    • den Holocaust leugnen und in sonstiger Weise volksverhetzend sind (§ 130 StGB),
    • zu schweren Straftaten anleiten (§ 130a StGB),
    • Gewalt verherrlichen oder verharmlosen und solche, die Gewalt in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen (§ 131 StGB),
    • pornographisch sind (§ 184 Abs. 1 StGB): Ein Medium ist pornographisch, wenn es unter Hintansetzen aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und wenn seine objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf Aufreizung des Sexualtriebes abzielt.
    • pornographisch sind und die Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren (§ 184a) oder den sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 184b StGB) zum Gegenstand haben.
    • den Krieg verherrlichen, wobei eine solche Kriegsverherrlichung besonders dann gegeben ist, wenn Krieg als reizvoll oder als Möglichkeit beschrieben wird, zu Anerkennung und Ruhm zu gelangen und wenn das Geschehen einen realen Bezug hat.
    • Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt.
    • Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
    • offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.

    Schwer jugendgefährdende Trägermedien gelten kraft Gesetzes als indiziert. Die Abgabe- und Verbreitungsbeschränkungen gelten also auch ohne Indizierung durch die Bundesprüfstelle. Um Unklarheiten beim Handel zu vermeiden, nimmt die BPjM aber auch schwer jugendgefährdende Medien auf Antrag ausdrücklich in die Liste auf und macht bei Trägermedien die Aufnahme im Bundesanzeiger bekannt.