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Online Lexikon Presserecht

Grenzen der Berichterstattung über Privates

Unabhängig von räumlichen Einschränkungen darf auch nicht über jeden Sachverhalt aus der Privatsphäre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens berichtet werden. Besonders wichtig: Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spielt der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. l und 2 GG) in die Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht hinein. Kinder haben ein besonderes Recht darauf, unbeobachtet durch Medien und Öffentlichkeit aufzuwachsen. Details aus dem Privatleben der Kinder von Personen des öffentlichen Lebens sind in stärkerem Maße gegen Berichterstattung geschützt sind als die ihrer prominenten Eltern. Das Schulversagen des Kindes eines Spitzenpolitikers zum Beispiel kann deshalb kein öffentliches Thema sein.

Auch bei Personen des öffentlichen Lebens sind familiäre Auseinandersetzungen oder nicht realisierte Scheidungsabsichten in der Regel private Belange, welche die Öffentlichkeit nichts angehen. Rüde Umgangsformen, die die Allgemeinheit in diesen Krisen nicht erwartet hätte, rechtfertigen eine Veröffentlichung nicht. Anders wäre es nur, wenn Streitigkeiten auch öffentlich ausgetragen würden.

Die frei erfundene Meldung über angebliche Hochzeitspläne verletzt auch Prominente in ihrer geschützten Privatsphäre. Sie ist auf jeden Fall rechtswidrig, auch wenn sie als solche nicht ehrenrührig ist.

Gesundheitliche Probleme gehören der Privatsphäre an und sind in der Regel kein Thema berechtigter Berichterstattung der Medien. Ausnahme: Wenn sich die körperliche Verfassung auf Position und Funktion einer im öffentlichen Leben stehenden Person unmittelbar auswirken könnte, darf darüber berichtet werden. Wer für ein hohes Staatsamt kandidiert, muss es hinnahmen, wenn die Medien über frühere Herzinfarkte berichten. Um die Eignung für das angestrebte Amt einzuschätzen, kann es von unmittelbarer Bedeutung sein.

Gerüchte über sexuelle Beziehungen Dritter sind im Grenzbereich zwischen der Privat- und Intimsphäre der Betroffenen angesiedelt. Nur ganz besondere Umstände könnten ihnen einen Öffentlichkeitswert verleihen, der ihre Veröffentlichung vor definitiver Klärung des Sachverhalts rechtfertigen könnte. Das gilt selbst dann, wenn sie einen katholischen Geistlichen betreffen. Nach Klärung des Sachverhalts kann es zulässig sein zu berichten, da ein solches Verhalten nach katholischer Morallehre Auswirkungen auf die Amtstauglichkeit eines Priesters hat. Außereheliche Beziehungen eines Privatmannes sind hingegen stets seine Privatsache und nicht Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit.

Alkoholprobleme sind in der Regel eine Angelegenheit der Privatsphäre. Der Fall Harald Juhnke zeigt die Ausnahme auf: Der Showstar war als Publikumsliebling ständig in den Medien präsent gewesen, bevor sein Alkoholmissbrauch sich auf seine öffentlichen Auftritte negativ auswirkte. Hier bestand ein legitimes Informationsinteresse des Publikums an der Ursache seines plötzlichen Versagens, hinter dem das Recht des Betroffenen zurücktreten musste.

Zur geschützten Privatsphäre gehören Informationen über das religiöse Bekenntnis oder die Zugehörigkeit zu Sekten oder weltanschaulichen Gruppen. Hier tritt zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch das Grundrecht der negativen Bekenntnisfreiheit. Es gibt in der Regel kein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesen Dingen. Das Anonymitätsinteresse des Betroffenen kann nach der Rechtsprechung selbst dann überwiegen, wenn in der einer Familie Meinungsverschiedenheiten über eine Sekten- oder Gruppenzugehörigkeit bestehen und sich ein Familienmitglied an die Öffentlichkeit wendet, während das andere die Berichterstattung über den Konflikt und seine Gruppenzugehörigkeit nicht wünscht.

Anderes gilt nur bei einer besonders problematischen Gruppierung wie die Scientology Church: Besteht aufgrund der Funktion des Betroffenen im öffentlichen Leben die Gefahr, dass unbeteiligte Dritter und insbesondere Jugendliche indoktriniert werden, muss der Schutz seiner Privatsphäre hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückstehen
Unter dem rechtlichen Aspekt der Privatsphäre kann der Wohnort oder die Telefonnummer von Personen geschützt sein. Das gilt für Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen Funktionen als besonders gefährdet gelten oder die sich als Stars gegen unerwünschte Kontaktversuche abschirmen wollen.

Gleiches gilt für Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Ihre Veröffentlichung birgt die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit Krimineller geweckt werden kann. Deshalb sind auch Listen wie Die reichsten Deutschen unter Angabe des Namens und der Anschriften der Betroffenen nicht möglich. Anderes gilt, wenn Vermögensverhältnisse aufgrund der beruflichen oder gesellschaftlichen Funktion der Betroffenen einer breiteren Öffentlichkeit ohnehin bekannt sind. So ist die öffentliche Bekanntgabe des Gehalts eines Profi-Fußballspielers keine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Einkommensstrukturen in dieser Branche sind schließlich allgemein bekannt.

Ob jemand informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR (IM) war, kann auf ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit stoßen. Es kann aber auch das Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Antwort ist nur im Einzelfall und anhand der konkreten Umstände möglich. Die undifferenzierte Veröffentlichung einer Liste mit mehreren tausend Namen ehemaliger IM ist jedenfalls nicht möglich. Damit verletzte eine Bürgerinitiative das Persönlichkeitsrecht jedenfalls derjenigen, die weder zu DDR-Zeiten als IM eine wichtige Rolle spielten noch nach1990 eine Position im öffentlichen Leben innehatten. Hat ein ehemaliger IM aber heute eine Position im öffentlichen Leben inne, so besagt schon das StUG, dass ein öffentliches Interesse daran bestehe, über Spitzeltätigkeiten des Betroffenen in der DDR informiert zu werden. In diesem Fall ist Berichterstattung zulässig.