Initiative
Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Privatsphäre

Der Schutz der Privatsphäre ist Teil des aus Art. 1, 2 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie umfasst neben dem Leben im engeren häuslichen und familiären Kreis auch das sonstige Privatleben des Menschen. Verstärkten Schutz genießt der Umgang mit der Familie, insbesondere mit Kindern aufgrund des verfassungsrechtlichen Status der Ehe und Familie gemäß Art. 6 I, II GG.

Eine Verletzung der Privatsphäre kann u.a. im Rahmen des § 823 I BGB Schadensersatzansprüche auslösen.

Die Privatsphäre ist abzugrenzen gegenüber

1. der Öffentlichkeitssphäre – sie umfasst den Bereich menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und unter Umständen sogar Kenntnis nehmen soll – etwa der öffentliche Auftritt als Redner in einer Veranstaltung oder die Teilnahme an einer Demonstration. In diesem Bereich ist der persönlichkeitsrechtliche Schutz vor Berichterstattung am schwächsten. Er beschränkt sich im wesentlichen auf das Recht zur informationellen Selbstbestimmung, den Anspruch auf Selbstdefinition des sozialen Erscheindungsbildes, den Ehrenschutz und den Schutz des wirtschaftlichen Rufes.

2. der Sozialsphäre – das ist der jenseits des Privaten liegende Lebensbereich, der gewissermaßen von außen, also auch von Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen keine persönlichen Beziehungen bestehen. Es geht als z. B. um die beruflichen Tätigkeit, die Anwesenheit bei Veranstaltungen oder der Spaziergang durch eine Geschäftsstraße. Die Berichterstattung über Dinge aus der Sozialsphäre eines Menschen muss sich durch ein Informationsinteressen der Allgemeinheit legitimieren, jedenfalls dann, wenn der Name genannt wird oder andere Informationen eine Identifizierung ermöglichen.

3. der Intimsphäre – definiert als der engste Bereich der Persönlichkeit des Menschen. Die Intimsphäre steht unter dem effektivsten Schutz der Rechtsordnung gegen Eingriffe Dritter und insbesondere gegen Veröffentlichungen durch die Medien in Text und Bild. Soweit die Intimsphäre reicht, ist ihr Schutz absolut, kommt eine Rechtfertigung ihrer Verletzung mithin nicht in Betracht – außer im Falle der Einwilligung bzw. des Verzichts Der Intimsphäre zuzuordnen sind fast alle Vorgänge aus dem Sexualbereich, der gegen eine Darstellung in der Öffentlichkeit nahezu absolut geschützt ist. Zur Intimsphäre gehören z. B. auch Details medizinischer Untersuchungen oder Äußerungen unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses.

4. der Geheimsphäre, welche z. B. Äußerungen, die ohne Einwilligung des Betroffenen auf Tonträger aufgezeichnet worden sind, aber auch Äußerungen in persönlichen Briefen gegen Veröffentlichungen schützt. Die Veröffentlichung derartiger Äußerungen kann nach §§ 201 ff. StGB sogar strafbar sein. Das gilt nicht nur für private, sondern auch für geschäftliche Äußerungen und Aufzeichnungen von Unternehmen sowie für in § 203 StGB genannten Amtsträgern oder beruflichen Vertrauenspersonen amtlich oder beruflich anvertraute Geheimnisse (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Sozialarbeiter etc).

Wer ist in welchem Umfang geschützt?

Absolut geschützt sind Privatleute, denen kein berechtigtes öffentliches Interesse gilt. Eine Erörterung von Angelegenheiten ihres Privatlebens kommt schon vom Ausgangspunkt her nicht in Betracht. Es besteht beispielsweise kein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe einer Ehescheidung.

Bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind Abwägungen erforderlich. Die Bürger interessieren sich für die Persönlichkeit derjenigen, die aufgrund ihrer politischen, beruflichen oder sozialen Funktion im Licht der Öffentlichkeit stehen. Deshalb ist die Veröffentlichung von Informationen aus der Privatsphäre dieser Menschen häufig legitim. Allerdings gilt das nicht schrankenlos. Auch bei Politikern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens endet das legitime Informationsinteresse in der Regel an der privaten Haustür, wenn sie die Medien nicht ausdrücklich ins Haus bitten.

Auch Personen von öffentlichem Interesse sind nach heutiger Rechtsprechung gegen die Erörterung von Themen ihres Privatlebens in der Öffentlichkeit geschützt, die keinen erkennbaren Bezug zu der wahrgenommenen öffentlichen Position oder Funktion aufweisen. Eine korrekte Einschätzung über die Zulässigkeit einer Berichterstattung kann immer nur als Folge einer an den Besonderheiten des Einzelfalles orientierten Güterabwägung gewonnen werden.

Natürlich ist die Medienberichterstattung auch durch die Einwilligung des Betroffenen gerechtfertigt.

Der Personenschutz wirkt auch über den Tod hinaus. Er verbietet daher vor allem unwahre oder diffamierende Berichterstattung über den Verstorbenen, solange die Erinnerung an ihn fortbesteht und sein Persönlichkeitsbild dadurch erheblich herabgewürdigt wird. Unter Umständen ist auch der Straftatbestand des § 189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) erfüllt.

Was ist geschützt?

Das wichtigste Feld des Schutzes der Privatsphäre ist der private Lebensbereich. Ob eine Berichterstattung aus diesem Bereich zulässig ist, hängt ab

  • von der Intensität des Eindringens in die private Sphäre
  • von der sozialen Position des Betroffenen: Menschen, die im öffentlichen Leben stehen, müssen Berichte über Familienstand und dessen Veränderungen einschließlich der Anzahl der Kinder und unter Umständen ihrer beruflichen Entwicklung eher hinnehmen als anonyme Zeitgenossen.

Schutz nicht nur im privaten Wohnbereich

In räumlicher Hinsicht ist der Schutz der Privatsphäre nicht auf den Wohnungs- oder Hausbereich beschränkt. Er kann sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch auf den Besuch eines Restaurants oder einen Spaziergang im Park erstrecken, falls sich der Betroffene in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat, in der er erkennbar für sich allein sein will und sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der Öffentlichkeit nicht tun würde. Näheres dazu finden Sie hier….

Sachliche Grenzen der Berichterstattung über Privates

Unbeschadet von räumlichen Einschränkungen darf auch nicht über jeden Sachverhalt aus der Privatsphäre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens berichtet werden.

Besonders wichtig: Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spielt der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. l und 2 GG) in die Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinein. Kinder haben ein besonderes Recht darauf, unbeobachtet durch Medien und Öffentlichkeit aufzuwachsen. Details aus dem Privatleben der Kinder von Personen des öffentlichen Lebens sind deshalb stärker gegen Berichterstattung geschützt als die ihrer prominenten Eltern. Das Schulversagen des Kindes eines Spitzenpolitikers zum Beispiel kann deshalb kein öffentliches Thema sein.

Doch auch über familiäre Auseinandersetzungen, angebliche Hochzeitspläne, gesundheitliche Probleme, sexuelle Beziehungen, Alkoholprobleme, religiöse Bekenntnis u. a. m. dürfen die Medien nicht ohne Vorliegen besonderer Gründe berichten. Näheres lesen Sie hier….

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Durch das vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1 ff.) ist die Person geschützt vor einem Verfügbarmachen für den Staat durch überzogenes Ausforschen von personenbezogenen Daten in einer umfassenden Datenerhebung, -speicherung und -weitergabe. Jeder soll selbst bestimmen (können), was er von sich der Öffentlichkeit preisgibt.

Im bürgerlich-rechtlichen Bereich ist dieser Schutz nicht unmittelbar gewährleistet. Die Grundsätze des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewinnen jedoch im Rahmen der auch bei grundsätzlich zulässiger Berichterstattung stets erforderlichen Güter- und Pflichtenabwägung (Privatsphäre bei gegebenem Informationsinteresse, Sozial und Öffentlichkeitssphäre) Einfluss auf das Zivilrecht. Der Presseberichterstattung sind inhaltliche Grenzen gesetzt durch das vom Persönlichkeitsrecht mitumfasste Interesse daran, darüber zu bestimmen, was die Person von sich der Öffentlichkeit preisgibt.

Mit anderen Worten: Es ist im konkreten Einzelfall jeweils aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln, ob das ungenehmigte Einbringen der Person in die öffentliche Erörterung nach Art und Reichweite durch ein schutzwürdiges Publikationsinteresse gedeckt wird und in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (Löffler/Steffen § 6 Rdn. 58).

Aus der Rechtsprechung