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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Pressefreiheit

Pressefreiheit ist für unsere freiheitliche Lebensordnung zentral, darüber gibt es kaum Dissens. Wohl aber streiten die Rechtsgelehrten, wie sie rechtlich begründet ist.

Für liberale Grundrechtstheoretiker markieren die Grundrechte einen Freiheitsraum, in den der Staat nicht oder nur sehr beschränkt eindringen darf. Die entgegengesetzte Auffassung sieht die Pressefreiheit wegen ihrer Bedeutung für das Funktionieren der Demokratie rein institutionell garantiert: Die öffentliche Aufgabe der Medien wird dabei aus dem Demokratie- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG hergeleitet. Eine dritte Auffassung hält beides nicht für einen Widerspruch. Näheres dazu lesen Sie hier…

Was ist „Presse“?

In der Umgangssprache wird der Begriff Presse fast ausschließlich für periodisch erscheinende Printmedien, also Zeitungen und Zeitschriften, verwendet. Als presserechtlicher Begriff ist Presse viel weiter auszulegen: Darunter fallen auch Bücher, CDs, DVD, Schallplatten usw. Der Pressebegriff ist formal zu verstehen, d. h. unabhängig vom Inhalt. Damit sind auch Medien im bloßen Geschäftsinteresse des Veröffentlichenden bzw. zum Vergnügen der Leser inbegriffen.

Näheres über die Merkmale des verfassungsrechtlichen Pressebegriffs…

Wen schützt die Pressefreiheit?

Die Pressefreiheit steht als subjektives Grundrecht allen im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen zu. Grundrechtsberechtigte sind

  • Verleger, Herausgeber und die den geistigen Inhalt des Druckwerks gestaltenden Personen (Journalisten).
  • die im wirtschaftlichen und organisatorischen Bereich der Presse tätigen Personen wie z. B. der Buchhalter, der Drucker oder der Vertriebsmitarbeiter
  • juristische Personen des privaten Rechts, nicht aber juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Mehr über den personalen Schutzbereich der Pressefreiheit….

Was schützt die Pressefreiheit

Der Schutzbereich der Pressefreiheit erfasst:

1. die Pressetätigkeit

Die Tätigkeit der Presse ist „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen“ durch die Pressefreiheit geschützt. Aus der grundgesetzlichen Pressefreiheit resultiert z. B. für öffentliche staatliche Veranstaltungen ein Zugangsrecht zu den allgemeinen Bedingungen. Der Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen Privater wird für Pressevertreter durch die über die Generalklauseln des Privatrechts (z. B. § 826 BGB) wirkende Pressefreiheit geschützt. Zudem besteht gem. § 6 Abs. 2 VersG für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ein einfachgesetzliches Ausschlussverbot. Auch die Vereinbarung einer Exklusivberichterstattung darf nicht zum Ausschluss anderer Pressevertreter führen. Informationsansprüche der Presse gelten gegenüber Behörden, da sie nur bei hinreichender Information ihrer Aufgabe im öffentlichen Meinungsbildungsprozess gerecht werden kann. Gem. § 53 I Nr. 5 StPO steht Presseangehörigen ein Zeugnisverweigerungsrecht über die Identität von Informanten sowie die von diesen erlangte Information zu. Hinzu kommt ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot nach § 97 V stopp, das die Vertraulichkeit der Redaktionstätigkeit verfassungsrechtlich gewährleistet.

Mehr über den Schutz der Pressetätigkeit…

2. das Presseerzeugnis

Das Presseerzeugnis ist in Gestaltung und Inhalt geschützt, unabhängig davon, ob eigene Meinung oder Nachrichten veröffentlicht werden. Die Meinungsäußerung wird auch, wenn sie in der Presse publiziert wird, durch Art. 5 I 1 geschützt. Art. 5 I 2 schützt den gesamten Inhalt eines Presseerzeugnisses – sowohl den redaktionellen Teil als auch der Anzeigenteil.

Falschnachrichten und Nachforschungspflicht: Bewusst oder grob fahrlässig verbreitete Falschnachrichten fallen nicht unter den Schutz der Pressefreiheit. Leicht fahrlässig oder unverschuldet publizierte Falschmeldungen können dagegen nicht von der Pressefreiheit ausgenommen werden, da insbesondere die Tagespresse auf die rasche Verwertung von Informationen angewiesen ist und ihr daher eine zu umfangreiche Überprüfungspflicht nicht zuzumuten ist.

Eine Veröffentlichungspflicht gibt es nicht (negative Pressefreiheit).

Auch für die Anzeigenannahme besteht insbesondere für Wahlanzeigen kein Kontrahierungszwang. Nicht einmal in Bezug auf Wahlwerbung ist die private Presse zur Gleichbehandlung verpflichtet.

3. Vertrieb und Verbreitung

Die Pressefreiheit schützt auch ein effizientes Vertriebssystem, weil es ohne dieses freie Medien nicht gibt. Geschützt ist der Vertrieb durch eigenes Personal des Verlegers, aber auch durch Buch-, Zeitschriften- und Zeitungshändler.

Die Vertriebsgroßhändler bzw. Pressegrossisten gelten wegen ihrer pressespezifischen Tätigkeit und ihrer engen organisatorischen Verzahnung zur Presse ebenfalls als Träger der Pressefreiheit. Das schützt sie aber nicht davor, von Großverlagen u. U. nicht beliefert zu werden – selbst wenn dies die Existenz des Unternehmens gefährdet. Anders könnte die Situation sein, wenn durch eine Pleite des Vertriebsunternehmens der Vertrieb anderer Presseerzeugnisse gefährdet würde. Dann könnte auch ein Belieferungszwang in Frage kommen.

Ein Grosso-Unternehmen, das eine Monopolstellung hat, ist dazu verpflichtet, alle Presseerzeugnisse in seinen Vertrieb aufzunehmen.

Tendenzschutz

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 schützt das Recht des Verlegers auf Bestimmung, Änderung und Umsetzung der Tendenz seiner Publikation. Die Pressefreiheit schützt daher den Verleger auch vor Beeinträchtigung seiner Grundsatzkompetenz durch arbeitsrechtliche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte. Dieser verfassungsrechtliche Schutz schlägt sich nieder in § 118 BetrVG und § 1 Abs. 4 MitBestG. Der Betriebsrates ist darauf beschränkt, soziale Gesichtspunkte bei Kündigung eines Tendenzträgers geltend zu machen. Dies ist verfassungsrechtlich notwendig, da der Betriebsrat nicht nur aus Tendenzträgern besteht und seine Aufgabe nicht in innerem Zusammenhang mit der Pressefreiheit steht.

Innere Pressefreiheit

Unter der inneren Pressefreiheit versteht man die innere Verfassung von Presseunternehmen, insbesondere das Verhältnis zwischen Verleger und Redaktion bzw. einzelnem Journalisten unter dem Gesichtspunkt der Mitbestimmung. Auch der einzelne Journalist ist zwar Träger des Grundrechts der Pressefreiheit. Dies kann aber nicht zu einer Grundrechtskollisionen innerhalb des Presseunternehmens führen, die die Funktionsfähigkeit der Presse schwer beeinträchtigten würde. Auch eine Ableitung der inneren Pressefreiheit aus der grundrechtlichen Garantie des Instituts Presse, um die Meinungsvielfalt zu sichern, wird überwiegend abgelehnt…

Privatwirtschaftliche Struktur der Presse

Art. 5 Abs. 1 S. 2 gewährleistet die privatwirtschaftliche Struktur der Presse als Garant für eine freie Meinungsbildung: Durch die wirtschaftliche und geistige Konkurrenz verschiedener Presseerzeugnisse wird die freie Meinungsbildung ermöglicht. Der Gegenansicht, die in der privatwirtschaftlichen Struktur der Presse lediglich die Beschreibung des jetzigen Zustandes sieht, ist entgegen zu halten, dass sich die verfassungsrechtlich vorgegebene Staatsfreiheit nur durch ein privatautonomes Pressewesen verwirklichen lässt. Zudem spricht für die Garantie der privaten Ordnung der Presse die historischen Lage bei Verabschiedung des Grundgesetzes: Damals lag eine privatwirtschaftliche Pressestruktur vor.

Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot einer privatautonomen Presse resultiert das Verbot der offenen bzw. verdeckten Verstaatlichung von Presseunternehmen, sowie die Unzulässigkeit der Publikation von Presseerzeugnissen durch staatlichen Stellen, sofern sie damit nicht ihre Pflicht zur Information der Öffentlichkeit erfüllen.

Gründungsfreiheit

Die Freiheit ein Presseunternehmen zu gründen wird durch die Pressefreiheit geschützt.86 Die Gründung darf nicht staatlich kontrolliert oder beschränkt werden.

Zugangsfreiheit

Durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 wird freier Zugang zu allen Presseberufen gewährleistet. Aufgrund der Konzeption der Pressefreiheit als Jedermann-Grundrecht sind staatliche Ausbildungs- und Zulassungserfordernisse als unzulässig anzusehen.

Ein Bestandsschutz für das einzelne Presseunternehmen ergibt sich aus Art. 5 I 2 GG nicht. Die privatwirtschaftliche Pressestruktur schließt auch Übernahme oder Bankrott einzelner Presseunternehmen, sowie die Veränderung der Presselandschaft durch neue Publikationsformen (z. B. durch kostenlose Zeitungen) ein.

Das Grundrecht auf Pressefreiheit begründet keinen Anspruch auf staatliche Subvention. Dies bedeutet jedoch nicht, dass staatliche Unterstützung unzulässig wäre, vielmehr sind für staatliche Subventionen folgende Voraussetzungen zu fordern: Die Förderung muss meinungsneutral und unter Beachtung des Gleichheitssatzes erfolgen. Zudem muss sie auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen und darf den publizistischen Wettbewerb nicht verzerren.

Pressekonzentration

Als geeignete Maßnahme gegen die Pressekonzentration gilt eine wirksame Fusionskontrolle, da sie die Unabhängigkeit und Freiheit der Presse kaum beeinträchtigt. Eine Vergrößerung der Pressevielfalt durch vom Staat publizierte öffentlich-rechtliche Presse wird skeptisch beurteilt, da damit die Staatsunabhängigkeit der Presse verloren geht.

Räumlicher Schutzbereich

Der räumliche Schutzbereich der Pressefreiheit für den Vertrieb umfasst den Verkauf auf öffentlichen Straßen und Plätzen, da soweit kein Verkaufsstand erreicht wird, von erlaubnisfreiem Gemeingebrauch auszugehen ist. Sofern der nach dem Widmungszweck bestimmte Gemeingebrauch überschritten würde, so dass die Genehmigung der Straßenbehörde erforderlich wird, führt die Bedeutung der Pressefreiheit zu einer Ermessensreduzierung auf Null, wenn keine gewichtigen anderen Interessen entgegenstehen.

Die Pressefreiheit schützt aber weder den Vertrieb auf fremden Privatgrundstücken noch innerhalb staatlicher Einrichtungen. Eine Ausnahme bezüglich staatlicher Einrichtungen ist jedoch für Schülerzeitungen oder Anstaltszeitungen in Justizvollzugsanstalten zu machen, da die Schüler bzw. Gefangenen als bestimmungsgemäße Nutzer der staatlichen Einrichtungen ihre Pressefreiheit nur dann wirksam wahrnehmen können, wenn ihnen der Vertrieb in der Schule bzw. Anstalt gestattet ist.

In allgemeiner Nutzung zugänglichen öffentlichen Einrichtungen ist dagegen danach zu fragen, ob und in welchem Umfang die bestimmungsgemäße Nutzung auch der Kommunikation zwischen den Bürgern dienen soll und damit auch die Verbreitung von Presseerzeugnissen beinhaltet.

Schranken der Pressefreiheit

Die Pressefreiheit findet gem. Art. 5 II ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Einschränkende Gesetze müssen daher sowohl persönlich als auch sachlich allgemein gehalten sein. Durch die Anforderung der persönlichen Allgemeinheit werden Einzelfallgesetze und Sondergesetze gegen die Presse ausgeschlossen. Die Landespressegesetze beziehen sich zwar speziell auf die Presse, sind aber nur Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken, so dass kein Sonderrecht gegen die Presse vorliegt.

Die einschränkenden Gesetze müssen meinungsneutral gehalten sein und in erster Linie ein Rechtsgut außerhalb der Pressefreiheit schützen, d. h. das Gesetz darf sich nicht gegen die Wirkung der Presse an sich wenden.

Das BVerfG hat im Lüth-Urteil festgelegt, dass das einschränkende Gesetz selbst im Hinblick auf das Grundrecht auszulegen sei. Damit werde keine absolute Schranken gesetzt, sondern eine Wechselwirkung zwischen Grundrecht und einschränkender Bestimmung besteht. Immer ist eine Abwägung zwischen dem Grundrecht und den durch das Schrankengesetz geschützten Rechtsgut vorzunehmen.