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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Namensnennung

Namen sind Nachrichten: Medien haben das Bedürfnis, Ross und Reiter zu nennen. Ohne den Namen des- oder derjenigen, über den berichtet wird, gilt ein Artikel als unzulänglich. Das ist schon eine Frage der Glaubwürdigkeit der Informationen. Zudem hat die Öffentlichkeit oft ein legitimes Interesse daran zu erfahren, wer in Dinge verwickelt ist, wer Verantwortung trägt oder wer unter irgendetwas leidet.

Deshalb gehen Journalisten meist ohne große Bedenken mit Namen um. Über die Frage, ob und wann das Recht zur Veröffentlichung von Fakten das Recht zur Bekanntgabe des Namens der Betroffenen einschließt, wird nicht groß nachgedacht. Dabei kann es schnell einen Konflikt zwischen dem Interesse der Medien an möglichst vollständiger Information und dem Interesse des Individuums geben, nicht durch die Medien an die Öffentlichkeit gebracht zu werden.

Der Grundkonflikt zwischen den verfassungsrechtlich gesicherten Rechten der Medien auf ungehinderte Berichterstattung und des einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ist auch hier gegeben. Dabei geht es nicht nur um den Namen: Betroffene können auch mit anderen Mitteln identifizierbar gemacht werden – durch ein Bild, die Nennung der beruflichen Position oder dergleichen.

Grundregel:

Ist die Nennung des Namens im Einzelfall unzulässig, dann muss auch alles andere vermieden werden, was zu einer Identifizierung der Person führen kann.

Wer so bekannt ist, dass seine Beteiligung an einer Affäre sich ohnehin in der Region verbreitet, wird durch Namensnennung an sich nicht in seinen Rechten verletzt.

Kein Eingriff in das Namensrecht

Jeder Namensträger hat nach § 12 BGB Anspruch darauf, dass seine Identität respektiert und er nicht durch unbefugten Gebrauch seines Namens mit anderen verwechselt wird. Bei der Nennung von Namen in der Berichterstattung geht es aber nicht um einen Eingriff in das Namensrecht. Dieses schützt nicht das Interesse des Individuums, mit seinen Belangen nicht an die Öffentlichkeit gebracht zu werden, sondern nur das Interesse von Personen und Institutionen an der eigenen Identität. Mehr dazu….

Bei der unberechtigten Namensnennung handelt es sich um einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder in das Recht am Unternehmen der Betroffenen. Dieses schließt auch das Recht auf selbst gewählte Anonymität ein.

Namensnennung erfordert Güterabwägung

Für das Allgemeine Persönlichkeitsrechts hat das Berliner Kammergericht den Leitsatz aufgestellt: „Die Nennung und Darstellung einer Person in einer Druckschrift und die damit erfolgte Mitteilung von Umständen über die Person an die Öffentlichkeit ist ohne Einwilligung grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung des nach Art. l, 2 GG geschützten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“

Dem folgen in dieser Absolutheit die wenigsten Presserechtsexperten und Richter. Die Berichterstattungsfreiheit der Medien wäre nämlich durch eine solche Auffassung in verfassungswidriger Weise beschränkt.

Die Aufdeckung der Anonymität ohne die Einwilligung des Betroffenen kann nicht grundsätzlich eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen sein, weil es sich bei diesem Recht um einen offenen Tatbestand handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss immer eine am Einzelfall orientierte Abwägung der widerstreitenden Interessen der Medien einerseits und des Betroffenen andererseits erfolgen.

Aus diesem Grund ist die Auffassung genauso wenig vertretbar, dass die öffentliche Erwähnung einer Person oder die öffentliche Aussage über sie grundsätzlich statthaft sei. Das Problem der Namensnennung ist immer nur im Wege der Güterabwägung lösbar. Das erkennt die Rechtsprechung durchgängig an. Sie verlangt von den Medien allerdings besondere Sorgfalt bei der Prüfung, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht auch ohne Namensnennung befriedigt werden kann.

Namensnennung kann geboten sein

Entscheidend ist die Frage: gibt es ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht nur an dem berichteten Vorgang, sondern auch an der Identität der daran beteiligten Personen?

Diese Abwägung kann dazu führen, dass die Nennung des Namens eines Betroffenen nicht nur zulässig, sondern sogar geboten ist. Für die Berichterstattung über kriminelle Machenschaften bei der Kapitalanlage und die Verwicklung eines in diesem Metier aktiven Anlegerschützers hat das Oberlandesgericht Düsseldorf dies bejaht: Der Kreis der Beteiligten war in diesem Fall so klein, dass nur die Namensnennung des tatsächlich Betroffenen andere gegen den Verdacht schützen konnte, sie seien in den Skandal verwickelt.

Wo ist Vorsicht angebracht?

Zu der Frage der Namensnennung oder sonstigen Aufdeckung der Identität gibt es eine vielfältige Rechtsprechung, die aber nicht immer einheitlich ist. Zu den problematischen Stichworten gehören: die Negative Bekenntnisfreiheit, die Namensnennung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sowie die Nennung von Straftätern. Mehr dazu….

Prinzipiell gelten für die Abwägung dieselben Kriterien, welche die Rechtsprechung im Rahmen der §§22, 23 KUG für die Bestimmung der Grenzen des Rechts am eigenen Bild entwickelt hat.

Allerdings geht das KUG vom Grundsatz der Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung aus; die Bestimmung des § 23 KUG enthält nur die Ausnahmetatbestände, die eine Veröffentlichung von Fotos rechtfertigen. Demgegenüber fehlt für die Namensnennung eine gesetzgeberische Grundentscheidung für die Unzulässigkeit. Deshalb kehrt sich hier das Regel-Ausnahmeverhältnis um: Prinzipiell ist die Namensnennung zulässig, da es keine spezielle Norm gibt, die sie im Grundsatz verbietet.

Die Namensnennung wird jedoch unzulässig, wenn sich nach den Kriterien des § 23 KUG keine Anhaltspunkte für ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit finden oder wenn sich in der Abwägung überwiegende Anonymitätsinteressen des Betroffenen zeigen.

Der Zeitpunkt ist wichtig?

Handelt es sich um aktuelle Vorgänge und besteht an ihnen und den betroffenen Personen ein berechtigtes aktuelles Informationsinteresse, so ist die Identifizierung des Betroffenen zulässig.

Bei der Berichterstattung über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und sie betreffende Vorgänge ist aber die Zeitdimension wichtig: Besteht ein zum Zeitpunkt des betreffenden Ereignisses vorhandenes legitimes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität der beteiligten Personen immer noch? Bei länger zurückliegenden Ereignissen und besonders bei der Berichterstattung über frühere strafrechtliche Verurteilungen wird dies in der Regel nicht mehr der Fall sein.

Problem: Gleichnamigkeit

Auch wo die Namensnennung zulässig ist, kann es Berichterstattungsrisiken ergeben. Insbesondere das Problem der Gleichnamigkeit ist zu beachten. Ein Restrisiko lässt sich auch durch die Verwendung von Initialien anstelle ausgeschriebener Nachnamen nicht ganz ausschließen. Erfundene Namen einzusetzen hilft nicht unbedingt weiter. Mehr dazu….

Identifizierung nicht nur durch Namensnennung

Wie jemand identifiziert wird, ist unerheblich. Die Namensnennung ist nur die nächstliegende und häufigste Möglichkeit. Gegen die Verbreitung einer Behauptung wehren kann sich auch derjenige, dem ein Bericht ohne jede Namensnennung allein aufgrund des Kontextes zugerechnet werden kann. Hier geht es um das Problem der Erkennbarkeit. Der Lokalbericht über das angebliche Zusammenwirken eines Amtstierarztes mit Importeuren gesundheitlich bedenklichen Rindfleischs verletzt auch ohne Namensnennung die Rechte der lokal tätigen Amtsärzte, wenn es nur einen oder auch zwei oder drei Amtsärzte dort gibt. Der Bericht hat dann dieselbe Eingriffsintensität wie derjenige, der mehrfach existierende Namen oder verwechselbare Initialien verwendet. Überregionale Berichterstattung könnte auf die Nennung des Ortes verzichten, dann wäre die Anonymisierung vollständig.

Namensnennung und Werbung

Kein Raum für diese Güterabwägung gibt es, wenn ein Namen zu Werbezwecken benutzt wird. Das gilt auch für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die eine Veröffentlichung von Fotos und die Nennung ihres Namens zu Zwecken der Berichterstattung dulden müssen. Die unbefugte Werbung mit dem Namen eines Dritten ist stets eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Da die Medien unter Umständen auch für den Inhalt der von ihnen verbreiteten Werbung Dritter haften, kann dies presserechtlich relevant werden. Auch in der redaktionellen Arbeit werden zunehmend Elemente der Berichterstattung mit denen der Werbung für die Produkte und Dienstleistungen Dritter vermischt.

Allerdings bedeutet nicht jedes werbliche Umfeld, dass die Namensnennung oder Abbildung einer Person tatsächlich zu Werbezwecken erfolgt. So hat der Bundesgerichtshof mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts die Veröffentlichung des Fotos eines Schauspielers auf der Titelseite einer Kundenzeitschrift nicht unter dem Gesichtspunkt der Werbung für unzulässig angesehen. Kundenzeitschriften verfolgen nämlich, neben den werblichen auch publizistische Zwecke.

Aus der Spruchpraxis des Presserates

Der Leiter eines Gymnasiums ist eine Person öffentlichen Interesses – wird er nach der Probezeit nicht übernommen, muss er sich Berichterstattung auch mit Bild und Namensnennung gefallen lassen. Mehr dazu…