Online Lexikon Presserecht
Interview
Ein Interview ist die Widergabe eines Gesprächs in Frage-Antwort-Form. Diese sehr persönliche Darstellungsform reflektiert auch die Begegnung unter Interaktion zwischen zwei Menschen, die ihre eigene Dynamik hat. Es ist also eine Textform, die der Journalist nicht alleine erstellen kann – er braucht einen Partner, und dieser hat eine Fülle von Rechten gegenüber dem gemeinsam erstellten Text. Er ist auch urheberrechtlich genauso an diesem Werk beteiligt wie der Journalist.
Niemand muss Interviews geben
Die Problematik beginnt schon damit, dass niemand ein Interview geben muss und jeder frei ist in seiner Entscheidung, wem er ein Interview gewährt und wem nicht. Das gilt auch für Politiker oder Vertreter staatlicher Stellen. Der Informationsanspruch der Öffentlichkeit bedeutet nicht, dass ein Politiker nicht bestimmten Zeitungen oder Zeitschriften ein Interview verweigern darf; auch mit der Gleichbehandlungsforderung hat dies nichts zu tun.
Ihrer Informationsverpflichtung und der damit verbundenen Pflicht zur Gleichbehandlung der Medien kommen Politiker oder Behördenleiter beispielsweise durch Pressemitteilungen, Statements auf Pressekonferenz o.ä. nach.
Spielregeln müssen vereinbart werden
Ein Interview läuft nach Spielregeln ab, die vorher zu vereinbaren sind – z.B. hinsichtlich des Themas, der Dauer, der Teilnahme weiterer Personen usw. Wenn nichts vereinbart wurde, gilt die ständige redaktionelle Praxis, etwa bei der Frage der Autorisierung.
Hinsichtlich der Spielregeln können beide Seiten ihre Bedingungen im Einzelfall stellen – die Frage, wer sich besser durchsetzen kann, wird sich daran entscheiden, wer an dem Zustandekommen des Interviews stärker interessiert ist.
Ohne Autorisierung geht gar nichts
Der Interviewverlauf muss grundsätzlich wahrheitsgemäß und natürlich ohne sinnentstellende Kürzungen wiedergegeben werden. In der Praxis kann aber speziell in den Printmedien das in der Interviewsituation gesprochene Wort oft nicht hundertprozentig genau wiedergegeben werden. Immer sind kleinere oder größere sprachliche Korrekturen notwendig, um Unzulänglichkeiten des gesprochenen Wortes zu beseitigen. Oft geraten Interviews zu umfangreich und müssen gekürzt werden. Vielfach entspricht hinterher auch der Gesprächsablauf nicht unbedingt dem Optimum eines interessanten Interviewtextes, dann muss sogar umgegliedert werden. Der abschließend bearbeitete Text kann also ganz schön weit von einer Tonbandabschrift entfernt sein.
Verlangt der Interview-Partner, das abschließend bearbeitete Interview vor der Veröffentlichung einzusehen und es freizugeben, so muss die Redaktion ihm dies ermöglichen. Eine Veröffentlichung ohne diese Zustimmung wäre in jedem Falle eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn der Gesprächspartner wäre in seinem Selbstbestimmungsrecht verletzt.
Wichtig: Das gilt selbst dann, wenn das Gespräch völlig korrekt oder sogar exakt nach einer Tonaufzeichnung wiedergegeben wird. Dies ist eine Konsequenz aus dem Recht am gesprochenen Wort: Wer sich äußert, darf über das von ihm gesprochene Wort selbst bestimmen.
Der Autorisierungsvorbehalt schützt auch den Journalisten vor Fehlern und daraus folgenden Beschwerden und Ansprüchen des Interviewten – aus journalistischer Sicht aber überwiegen die Nachteile. Die rechtlich starke Stellung des Interviewpartners eröffnet natürlich weitgehende Möglichkeiten des Missbrauchs. Politiker und Prominente können nachträglich mit einem Interview machen, was sie wollen.
Wird die Autorisierung von Veränderungen im Text abhängig gemacht, muss die Redaktion alle verlangten Änderungen vornehmen. Selbst wenn der Interviewpartner den Text nachträglich so weitgehend verändert, dass er mit dem tatsächlich geführten Gespräch kaum noch etwas zu tun hat, ändert das an dieser Verpflichtung nichts.
Besonders empört sind Journalisten, wenn der Interviewpartner sogar die Fragen umformulieren möchte. Dazu hat er im Grunde genommen kein Recht – aber das hilft der Redaktion wenig: Wenn der Interviewpartner die Umformulierung zur Bedingung der Autorisierung macht, kann sie nichts dagegen tun. Denn der Interviewte kann die Autorisierung auch ohne Angabe von Gründen verweigern. Wenn er sein Interview zurückzieht, ist dagegen kein Kraut gewachsen.
Veröffentlichungsverzicht als Druckmittel
Die Redaktion verfügt in den Verhandlungen um den Wortlaut eines Interviews nur über ein einziges Druckmittel: den völligen Veröffentlichungsverzicht. Kann die Redaktion die verlangten Änderungen journalistisch nicht vertreten, hat sie die Möglichkeit, auf die Veröffentlichung des Interviews völlig zu verzichten.
Verwertung nicht autorisierter Interviews
Wenn der Gesprächspartner sein Interview nicht autorisiert oder die Redaktion angesichts unerträglicher Änderungswünsche auf einen Abdruck verzichtet, taugt der Interviewtext nur noch für den Papierkorb. Das Gespräch ganz oder auszugsweise zu einem Bericht mit langen Passagen indirekter Rede umzuarbeiten, ist kein Ausweg. Denn für die darin enthaltenen Zitate müsste wiederum eine Autorisierung eingeholt werden.
Etwas anders sieht es mit eventuell berichtenswerten Informationen aus, die dem Journalisten durch ein Interview bekannt geworden sind. Prinzipiell dürfen diese veröffentlicht werden – allerdings nicht unter Bezug auf den Interviewpartner als Quelle. Dieser kann nämlich im Regelfall verlangen, so gestellt zu sein, als habe es das Interview niemals gegeben.
Die Redaktion muss also nach den Grundsätzen der Vertraulichkeitsabsprache verfahren. D.h. sie muss dafür sorgen, dass der Gesprächspartner nicht als Quelle der Informationen erkennbar wird. Wenn nur er zur gegebenen Zeit im Besitz dieser Information sein konnte, reicht selbst eine anonyme Veröffentlichung („gut unterrichtete Kreise“ o.ä.) aus, um auf den Informanten hinzuweisen. Die Redaktion muss dann zusätzliche Belege oder andere Quellen recherchieren oder ggf. ganz auf die Veröffentlichung verzichten.