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Online Lexikon Presserecht

Kartellrechtliche Sonderregelungen

Kartellrechtliche Vorschriften sichern seit 1976 die Meinungsfreiheit durch den Erhalt unternehmerischer Pressevielfalt in Deutschland. Sie waren eingeführt worden, nachdem in den 60er und 70er Jahren eine regelrechte Welle von Zusammenschlüssen dazu geführt hatte, dass vielerorts Monopolzeitungen den Markt beherrschten. Bagatellgrenzen, die für andere Branchen gelten, wurden im Pressebereich nicht mehr als sinnvoll angesehen, da Presseunternehmen auch dann i. d. R. vergleichsweise geringe Umsätze haben, wenn die von ihnen herausgegebenen Medien überregionale Bedeutung haben. Frühere Zusammenschlüssen belegen, dass eine einmal vollzogene Fusion einen Verlust von Meinungsvielfalt mit sich bringt, der nicht wieder rückgängig gemacht werden kann.

Die kartellrechtliche Beurteilung von Pressefusionen unterliegt daher besonderen Voraussetzungen. Selbst bei sogenannten „Bagatellfusionen“ kann das Bundeskartellamt den Zusammenschluss verbieten (§ 36 Abs. 2 S. 2 GWB).

Das soll sich aber ändern: Am 26. Mai 2004 hat das Bundeskabinett den Entwurf des „Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ beschlossen. Damit sollen das deutsche Kartellrecht europäischen Standards angeglichen werden und die für die Presse bisher geltenden kartellrechtlichen Sondervorschriften gelockert werden. Die Lockerung sei für die Zeitungsverlage notwendig, heißt es in der Begründung, um „ihre wirtschaftliche Basis zu verbreitern, um die ökonomische Grundlage der vorhandenen Pressevielfalt zu sichern“.

Dass der in der Novelle vorgesehene § 31 GWB es Verlagen erlauben soll, Anzeigenkooperationen einzugehen, die bislang kartellrechtlich i. d. R. unzulässig waren, wird allgemein begrüßt. Die geplante Aufweichung der Fusionskontrolle hat aber viele Gegner und wird auch von vielen kleineren und mittleren Zeitungshäusern strikt abgelehnt, während die großen Verlagsgruppen wie Holtzbrink und WAZ sie vehement verlangen.

Die geplante Neuregelung soll die Pressefusionskontrolle in zwei wesentlichen Punkten ändern. Zum einen werden die Schwellenwerte von „Bagatellfusionen“ auch für die Presseunternehmen heraufgesetzt, zum anderen sollen im Pressebereich marktbeherrschende Stellungen prinzipiell zugelassen werden. Dazu sollen in § 36 GWB zwei Absätze eingefügt werden, die dem Bundeskartellamt unter einigen Bedingungen die Kompetenz entziehen, Fusionen zwischen Presseunternehmen zu untersagen, selbst wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht.

Viele betrachten dies als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig verfassungswidrig. Das hatte wörtlich festgestellt: „Aufgabe des Gesetzgebers ist es, die strikte Durchsetzung dieses Grundstandards durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen sicherzustellen […]. Insbesondere obliegt es ihm, Tendenzen zur Konzentration rechtzeitig und so wirksam wie möglich entgegenzutreten, zumal Fehlentwicklungen gerade insoweit schwer rückgängig zu machen sind“ (vgl. BVerfGE Band 73, S. 118, 159 f.). Die generelle Zulassung von Pressefusionen soll zulässig sein, wenn die erworbene Zeitung „langfristig neben der erwerbenden […] als eigenständige redaktionelle Einheit erhalten bleibt“. Insbesondere soll der frühere Verleger mindestens 25 Prozent der Anteile am Presseunternehmen sowie die Titelrechte behalten und bei unternehmerischen Grundentscheidungen mitbestimmen können.

Die Fusion im Einzelfall muss „erforderlich“ sein, was laut Gesetzentwurf dann angenommen wird, wenn die Anzeigenerlöse in drei aufeinanderfolgenden Jahren rückläufig sind. Dies dürfte bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der deutschen Zeitungen in den letzten Jahren der Fall gewesen sein.