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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Pressefreiheit in der Verfassung

Pressefreiheit als bürgerliches Abwehrrecht

Für liberale Grundrechtstheoretiker markieren die Grundrechte einen Freiheitsraum, in den der Staat nicht oder nur beschränkt eindringen darf. Die Grundrechte können nicht von einem öffentlichen Zweck hergeleitet werden. Pressefreiheit ist zwar eine zentrale Bedingung für die freie Meinungsbildung im demokratischen Staat. Diese wird aber dadurch am besten gewährleistet, dass jeder Einzelne seine individuellen Freiheitsrechte ausübt. Wenn das Grundgesetz die Pressefreiheit garantiert, ist das nur die Summe der individuellen Grundrechtsbetätigungen und kein selbständiges Rechtsinstitut. Eine institutionelle Garantie wäre nach liberaler Auffassung dem individuellen Abwehrgrundrecht gerade entgegengesetzt.

Pressefreiheit als institutionelle Garantie

Nach entgegengesetzter Auffassung ist die Pressefreiheit nur in der öffentlichen Aufgabe der Presse begründet, am demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess mitzuwirken. Damit ist sie rein institutionell garantiert. Die öffentliche Aufgabe der Medien wird dabei aus dem Demokratie- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG hergeleitet. Pressefreiheit ist dann ein nichtpersonales Grundrecht, das als objektiv-rechtliche Garantie von den Individuen losgelöst ist.

Abwehrgrundrecht und objektive Institutsgarantie zugleich

Eine dritte Ansicht sucht den Kompromiss: Sie geht davon aus, dass Art. 5 1,2 GG gleichzeitig ein individuelles Abwehrgrundrecht darstellt und eine institutionelle Gewährleistung beinhaltet. Für die Vertreter dieser Auffassung widerspricht die Institutsgarantie nicht der subjektivrechtlichen Seite des Grundrechts, sondern stärkt sie. Die objektiv-rechtliche Garantie der Pressefreiheit zwingt den Staat dazu, die Pressefreiheit unabhängig von den subjektiven Rechten Einzelner zu respektieren. Wegen ihrer Bedeutung als Wesenselement des freiheitlichen Staates garantiert er Mindeststandards einer pluralistischen, leistungsfähigen Presse.

Aus dieser Garantie lässt sich eine Verpflichtung des Staates herleiten, Meinungsmonopolen entgegen zu treten. Da die objektiv-rechtliche Gewährleistung jedoch lediglich freiheitsverstärkend wirke, ist auch einer solchen gesetzgeberischen Maßnahme Eingriffscharakter bezüglich des Abwehrgrundrechts beizumessen.

Zugunsten der Deutung der Pressefreiheit als staatsgerichtetes Abwehrgrundrecht spricht die systematische Einordnung des Art. 5 im GG: Die Verankerung bei den Grundrechten und nicht – wie beispielsweise die Garantie der politischen Parteien – im Anschluss an Art. 20 lässt auf einen individualrechtlichen Charakter schließen. Außerdem legen das traditionelle Verständnis der Pressefreiheit als Abwehrgrundrecht und die historische Entwicklung diesen Schluss nahe.

Diese beiden Argumente scheinen eine Interpretation der Pressefreiheit als rein institutionelle Garantie auszuschließen. Zudem spricht gegen diese Auffassung, dass eine staatlicherseits vorgenommene Unterscheidung von „wertvoller“ Presse, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt, und ungeschützter Presse die Pressefreiheit aushebeln müsste.

Dafür, dass über den individualrechtlichen Gehalt hinaus die Pressefreiheit auch eine Institutsgarantie beinhaltet, spricht die Tatsache, dass das Demokratieprinzip Art. 20 GG eine freie Presse fordert, da diese „für die moderne Demokratie unentbehrlich“ ist. So sind Individualberechtigung und Demokratieprinzip die zwei Wurzeln der Pressefreiheit.