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Online Lexikon Presserecht

Schutz der freien Rede und Ehrenschutz

Die Meinungs- und Pressefreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Das Bundesverfassungsgericht begreift das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als unmittelbarsten Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Es ist für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung konstituierend und in gewissem Sinne die Grundlage jeder Freiheit überhaupt (BVerfGE 7, 198 – Lüth).

Aus der grundlegenden Bedeutung der Äußerungsfreiheit folgt, dass es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz und damit durch die Rechtsprechung auszusetzen, die die Gesetze auslegt und anwendet.

Der Pressefreiheit gegenüber steht der Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsschutz, zu dem das Bundesverfassungsgericht sagt: „Mit der Pressefreiheit . . . gehen Pflichten einher, die umso ernster genommen werden müssen, je höher man das Grundrecht der Pressefreiheit einschätzt. Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet.“ (BVerfGE 12, 130).

Das Spannungsverhältnis löst die sog. Lüthformel: Die allgemeinen Gesetze setzen zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht der Äußerungsfreiheit Schranken, sie müssen ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer begrenzenden Wirkung wieder eingeschränkt werden.

§ 193 StGB ist die Haupteingangspforte für Einwirkungen aus Art. 5 Abs. 1 GG, die Pressekritik bis zur Grenze der Schmähkritik zulässt und es unter Umständen sogar erlaubt, mit Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, die noch nicht verifiziert sind und sich also als falsch erweisen können.

Die Meinungs- und Pressefreiheit hat keinen Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz, der bei Formalbeleidigungen und Schmähungen grundsätzlich vorgeht. Der Schutz, den Art. 5 Abs. 1 GG gewährt, endet ferner dort, wo es um die Behauptung oder Verbreitung einer Tatsache geht, deren Unwahrheit feststeht.

Die Einwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG auf die Ehrenschutzbestimmungen bedeutet aber, dass sie jedenfalls dann, wenn es um ein Thema von allgemeinem Interesse geht, das Rechtswidrigkeitsverbot der §§ 185 ff. StGB gegenüber Tatsachenbehauptungen erst einsetzt, wenn und soweit ihre Unwahrheit erwiesen ist, oder wenn die Frage nach wahr oder unwahr offen bleibt und die Presse nicht nachweisen kann, dass sie mit pressemäßiger Sorgfalt recherchiert hat.

Gegenüber abwertenden Meinungen und Werturteilen endet der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG bei der Diffamie, wobei die Schwelle für verbotene Schmähung erst oberhalb selbst schärfster Polemik einsetzt.

Die Einwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG hat schließlich Bedeutung für die Abgrenzung Tatsachenbehauptung von der Meinungsäußerung: Er fordert, dass der Begriff der Meinungsäußerung weit auszulegen ist und die Gericht im Zweifel vom Vorliegen einer Meinungsäußerung auszugehen haben.