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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Selbstrecherchiertes Material

Was ist selbsterarbeitetes Material?

Bis 2002 galt als privilegiert nur, was Informanten den Mitarbeitern der Medien aktiv mitgeteilt haben; gleichgestellt waren Dokumente und sonstige Unterlagen, die den Medien übergeben worden sind, sowie Erkenntnisse aus Beobachtungen, die Informanten den Medienvertretern aktiv ermöglicht haben. Das hat der Gesetzgeber durch eine 23. Februar 2002 in Kraft getretene Änderung der Strafprozessordnung ausgeräumt.

Dadurch sind „selbst recherchiertes bzw. erarbeitetes Material“ sowie alle Beobachtungen, welche die Medienmitarbeiter angestellt haben, nunmehr ins Zeugnisverweigerungsrecht eingeschlossen – das gilt auch für Fotografien und Filme.

Allerdings hat das Zeugnisverweigerungsrecht und damit zusammenhängend das Beschlagnahmeverbot für selbstrecherchiertes Material deutliche Grenzen: Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot entfällt für selbst recherchiertes Material entfallen, wenn die Ermittlungen der Behörden der Aufklärung von Straftaten gelten, die eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorsehen. Zusätzlich ist das Zeugnisverweigerungsrecht ausgeschlossen, wenn Gegenstand der Ermittlungen eine Straftat des Friedensverrats, der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats, des Landesverrats, der Gefährdung der äußeren Sicherheit oder eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder eine Geldwäsche oder eine Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Allerdings kann der Zeuge / Journalist auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, wenn dadurch die Identität seines Informanten preisgegeben würde.

Die Grenzen zwischen „gemachter“ Mitteilung und selbst erarbeiteter Information, zwischen aktiver Beobachtung und solcher Beobachtung, die ein Informant einem Journalisten gezielt ermöglicht, sind fließend. So konnten Journalisten unfreiwillig zu Mitarbeitern von Polizei und Staatsanwaltschaft werden. Der Journalist, der über eine politische Veranstaltung berichtet, in deren Rahmen es zu Gewalttätigkeiten kam, wurde zum Zeugen und musste wahrheitsgemäß und vollständig aussagen.

Damit war ein Kernbereich publizistischer Arbeit vom Zeugnisverweigerungsrecht ausgenommen. Journalisten bekamen es bei der Recherche zu spüren. Bei der Begleitung von Demonstrationen bedrohten nicht selten Teilnehmer Journalisten, vor allem aber Fotografen und Kameramänner als unfreiwillige Lieferanten von Beweismaterial für Staatsanwaltschaften und Polizei. Der Kleinkriminelle, der dem Polizeireporter gerne Einblick in sein Wissen gab, hielt sich zurück. Dennoch hatte das Bundesverfassungsgericht es abgelehnt, das Zeugnisverweigerungsrecht auf diese Art der Informationsgewinnung auszudehnen.

Erste Auswirkungen in der Rechtsprechung hatte die Ausweitung des Zeugnisverweigerungsrechts bereits: Das Amtsgericht Freiburg hat mit Aufhebung der Beschlagnahme von selbst recherchiertem SWR-Material in Freiburg zum ersten Mal das neugeregelte, zum 23. Februar 2002 in Kraft getretene Zeugnisverweigerungsrecht angewendet. Ein SWR-Kamerateam des Studio Freiburg hatte während einer Schlägerei am Rande des so genannten Türsteherprozesses in Offenburg gedreht. Die Polizei erhoffte sich von den Aufnahmen Aufschluss über die Identität der Täter. Die Staatsanwaltschaft Offenburg beantragte die Beschlagnahme der Kassette nach § 33 Absatz 4 der Strafprozessordnung. Diesen Antrag lehnte das Gericht mit Blick auf die neue Rechtslage ab.