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Online Lexikon Presserecht

Sendestaatsprinzip

Der Hoheitsverzicht des Empfangsstaates ist zwar in der Fernseh-Richtlinie auf Bereiche eingeschränkt, „die durch diese Richtlinie koordiniert sind“. Das ist aber pure Theorie, denn die Regelungen lassen kaum ein Bereich offen. Auch mit lizenzrechtlichen Fragen darf sich der Empfängerstaat nicht befassen, sie liegen in der Rechtshoheit des Sendestaates. Das deutsche Recht erweitert in Umsetzung des Fernseh-Übereinkommens die Weiterverbreitungsfreiheit – „im Rahmen der technischen Möglichkeiten“ – über die EU hinaus auf alle in den Konventionsstaaten „in rechtlich zulässiger Weise“ veranstalteten Fernsehprogramme.

Der Empfangsstaat darf die Weiterverbreitung nur stoppen, wenn er „offensichtliche, ernste und schwerwiegende“ Verstößen gegen den Schutz Minderjähriger und die öffentliche Ordnung“ feststellt. Dazu gibt es ein geregeltes Verfahren nach Art. 2 a Abs. 2 Fernseh-Richtlinie. Solche Fälle sind selten. So hat die Sächsische Landesmedienanstalt 2001 ein Verfahren zur Aussetzung der Weiterverbreitung gegen den englischen Veranstalter Adult channel wegen der Verbreitung von Pornografie bei der Kommission anhängig gemacht.

Das Fernseh-Übereinkommen ist bei der Möglichkeit der Aussetzung der Weiterverbreitung insoweit strenger als die Fernseh-Richtlinie, als nach Art. 24 Abs. 2 der Empfangsstaat darüber hinaus bereits bei Werbeverstößen zur Aussetzung der Weiterverbreitung berechtigt ist.

Je nach Anwendung des Fernseh-Übereinkommens oder der Fernseh-Richtlinie kann „unter Beachtung europäischer rundfunkrechtlicher Regelungen“ (§ 52 Abs. 1 Satz 2) einem in einem Konventionsstaat, der nicht gleichzeitig Mitglied der EU ist, zugelassenen Unternehmen die Weiterverbreitung auch bei Werbeverstößen untersagt werden. Bei Unternehmen aus EU-Mitgliedsstaaten geht das nicht.

Tätig werden können wegen der verfassungsrechtlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland nur die Länder. Die in Zusammenhang mit dem Sendestaatsprinzip und dem Weiterverbreitungsgrundsatz zu regelnden Zulassungsfragen überlässt deshalb der RStV in § 20 von vornherein dem Landesrecht. In § 15 Landesmediengesetz Baden-Württemberg wird deshalb § 52 Abs. 1 RStV beinahe wörtlich wiederholt, worauf bei der Möglichkeit der Aussetzung der Weiterverbreitung verzichtet wird.

Auch auf eine Zulassung für Fernsehveranstalter, die der Rechtshoheit eines anderen EU-Mitgliedstaates (oder einem EWR-Vertragsstaat) unterliegen, hat der baden-württembergische Gesetzgeber in § 12 LMedienG verzichtet. In Konventionsstaaten niedergelassene Fernsehveranstalter sind dagegen vom Zulassungserfordernis nicht befreit.