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Online Lexikon Presserecht

Ton- und Filmaufnahmen

Die Herstellung von Ton-, Film- oder Fernsehaufnahmen bei Gerichtsverhandlungen zu Zwecken der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts ist seit 1964 ausdrücklich verboten.

„Rundfunk- und Filmaufnahmen im Gerichtssaal gehen über die in 169 GVG gewährleistete Öffentlichkeit der Hauptverhandlung weit hinaus und gefährden nicht nur die Wahrheitsfindung im Strafverfahren, sondern beeinträchtigen auch die Verteidigung des Angeklagten. Sie lenken den Angeklagten und die Zeugen von der Hauptverhandlung ab. Sie hindern unter Umständen den Angeklagten und den Verteidiger wegen der Scheu vor einem unbeschränkten, unübersehbaren und unsichtbaren Zuhörer- oder Zuschauerkreis, ihre Aussagen und Erklärungen so zu gestalten. wie es das Verteidigungsinteresse erfordert. Sie vereiteln den Zweck des § 243 Abs. 2 StPO, wonach die Zeugen bei der Vernehmung des Angeklagten nicht zugegen sein dürfen, und ermöglichen es späteren Zeugen zu hören, was früher vernommene Zeugen ausgesagt haben. Sie legen auch den Zeugen und Sachverständigen Hemmungen bei ihren Aussagen auf und beeinträchtigen ihre Unbefangenheit. Den noch nicht verurteilten Angeklagten zerren sie in einer oft unerträglichen Weise in das Scheinwerferlicht einer weiten Öffentlichkeit.“

Das Verbot von Ton-, Film- oder Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen gilt absolut; es kann also auch nicht durch übereinstimmenden Wunsch der Prozessbeteiligten aufgehoben werden. Das ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich im Hinblick auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit nicht zu beanstanden.

Da das Verbot die Verhandlung betrifft, gilt es im Gerichtssaal nicht, solange die Verhandlung noch nicht begonnen hat – ebenso wenig während der Pausen und nach Schluss der Verhandlung. Über die Frage, ob und in welchem Umfang Rundfunk und Fernsehen in diesen Stadien des Verfahrens Gelegenheit zur Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen zu geben ist, entscheidet der Vorsitzende Richter in Ausübung der ihm übertragenen Sitzungsgewalt.

Dabei muss er jedoch dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit angemessen Rechnung tragen. So war es z. B. im Prozess gegen Erich Honecker nicht in Ordnung, so das Bundesverfassungsgericht, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal vor Verhandlungsbeginn unter Berufung auf die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden generell zu unterbinden. Karlsruhe hat damals das eingeschränkte Recht von Fernsehveranstaltern, auch im Gerichtssaal Aufnahmen herzustellen, im Wege einer einstweiligen Anordnung sichergestellt und diese Entscheidung später bestätigt.

Damit wurde das Verbot der Herstellung von Aufnahmen von der Verhandlung selbst nicht in Frage stellt. So hat es das Gericht aus Anlass desselben Verfahrens abgelehnt, aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit einen Anspruch der Medien darauf abzuleiten, dass die Verhandlung in einen Nebensaal des Gerichts übertragen wird.

Die Arbeit von Rundfunk- und Fernsehjournalisten vor dem Gerichtsgebäude oder innerhalb des Gebäudes vor dem Verhandlungssaal ist vom § 169 GVG gar nicht berührt. Natürlich können diese Journalisten etwa Ankunft oder Abfahrt der Prozessbeteiligten verfolgen. Das Verbot betrifft auch nur die Herstellung von Ton-, Film- und Fernsehaufnahmen. Als recherchierende Journalisten können Vertreter der elektronischen Medien am Verfahren teilnehmen. Ein Hörfunk- oder Fernsehreporter kann nicht mit der Begründung von einer Verhandlung ausgeschlossen werden, er plane unter Verwendung von anderweitig beschafftem Bildmaterial über den Verhandlungsverlauf zu berichten.

Ausnahme: Bundesverfassungsgericht

Für Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht ist alles anders. Hier gilt seit der Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes von 1998 (§ 17a BverfGG) eine ausdrückliche Ausnahme von § 169 Satz 2 GVG: Ton- und Bildaufnahmen sind zu bestimmten Zeitpunkten während der Verhandlung zulässig. Die öffentliche Verkündung von Entscheidungen darf in Bild und Ton festgehalten werden, aber auch die mündliche Verhandlung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat.

Die Erlaubnis von Hörfunk- und Fernsehaufnahmen während dieser Teile der Verhandlungen kann durch das Gericht zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten bzw. von Dritten oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens aufgehoben oder eingeschränkt werden.

Bereits vor Einführung dieser gesetzlichen Sonderbestimmung hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts für die vor ihm stattfindenden Verhandlungen und Urteilsverkündungen, für die die Bestimmungen des GVG lediglich in entsprechender Anwendung gelten, eine Ausnahme von dem Verbot der Herstellung von Ton- und Fernsehaufnahmen zugelassen.

Begründet wurde dies mit dem hohen Öffentlichkeitswert der Verhandlungen vor diesem Gericht. Hinzu kommt, dass Fragen des Persönlichkeitsschutzes, denen das besondere Augenmerk des Gesetzgebers im Rahmen des § 169 GVG gilt, in diesen Verfahren selten eine Rolle spielen.

Diese im Wege richterlicher Rechtsfortbildung getroffene Entscheidung des Gerichts ist mit § 17 a BVerfGG nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden, so dass sich gegen die bisherige Praxis des Bundesverfassungsgerichtes vorgetragene Bedenken der Sache nach erledigt haben. Die gemäß § 17 a BVerfGG gefertigten Aufnahmen müssen dem Zweck einer öffentlichen Vorführung dienen und nicht lediglich der Archivierung. Das schließt allerdings nicht aus, dass sie nach der öffentlichen Vorführung zu Beweis- und Überprüfungszwecken aufbewahrt werden.