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Tageszeitung e.V.

Online Lexikon Presserecht

Unterlassungsanspruch und Persönlichkeitsrecht

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dreht sich um ein „offenes Schutzgut“ und ist als „Rahmenrecht“ ausgestaltet: Die Rechtswidrigkeit der Verletzung kann erst am konkreten Konflikt durch eine Güter- und Pflichtenabwägung festgestellt werden zwischen den schützenswürdigen Interessen der betroffenen Persönlichkeit und den Belangen der in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Kritikfreiheit. Für typische Konfliktsituationen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung normative Leitlinien herausgebildet, die an Sphären der Lebensgestaltung und Fallgruppen anknüpfen:

  • Schutz der informationellen Selbstbestimmung,
  • Schutz vor einer Verdinglichung des gesprochenen Wortes, Schutz der Selbstdefinition des sozialen Geltungsanspruchs,
  • Schutz des Lebens- und Charakterbildes,
  • Schutz vor Ausbeutung von Persönlichkeitsgütern und
  • Schutz von Freiräumen der Person, der sehr unterschiedlich weit reicht, je nachdem, um welche der verschiedenen Persönlichkeitssphären es sich handelt, nämlich die Geheimsphäre, die Intimsphäre, die Privatsphäre, die Sozialsphäre oder die Öffentlichkeitssphäre.
  • Schutz vor Indiskretion.

Die Tendenz geht dabei zur Verfestigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in besonderen Persönlichkeitsrechten (Datenschutz, Schutz des gesprochenen Wortes), in denen die Güterabwägung bereits vom Gesetzgeber vorgenommen wird.

Der Presseberichterstattung sind inhaltliche Grenzen gesetzt durch das vom Persönlichkeitsrecht in einem Kernbereich geschützte Interesse daran, selbst zu bestimmen, was man von sich der Öffentlichkeit preisgibt. Der Schutz kann z. B. Bedeutung gewinnen im Hinblick auf die Art und Weise der Darstellung der Person, bei der Darstellung des Lebensbildes, bei der Ausbreitung von Persönlichkeitsdaten und bei der Beurteilung der Frage, ob bei grundsätzlich gegebenem Informationsinteresse eine Namensnennung gerechtfertigt ist, insbesondere wenn die Person beispielhaft für bestimmte Zustände oder Geschehnisse dargestellt wird.

Begrenzt auf seinen Kernbestand ist das Interesse an der Selbstdefinition des sozialen Gestaltungsanspruchs im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt. Dieser Schutz kann Bedeutung erlangen gegenüber zwar wahren, aber den sozialen Ruf besonders belastenden Veröffentlichungen von „kritischen“, „heiklen“ Personendaten, z. B. über die Verwirklichung der Person in politische, kulturelle, gesellschaftliche Skandale, wirtschaftliche Zusammenbrüche, aufsehenerregende Gerichtsverfahren bzw. Straftaten sowie bei unwahrer Berichterstattung, soweit nicht der Ehren- oder Kreditschutz eingreift, z. B. bei erfundenem Interview, bei Fehlzitaten oder bei unwahrer Wiedergabe von Lebenssachverhalten, wenn dabei die Person positiver dargestellt wird als sie ist.

Unerlassungsansprüche können aus dem Schutz des Lebens- und Charakterbildes im Rahmen des persönlichkeitsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts entstehen. Das Lebensbild des Normalbürgers ist geschützt, dasjenige der absoluten Persönlichkeit der Zeitgeschichte, des in der Öffentlichkeit wirkenden Künstlers, Entertainers und Sportlers nur bedingt. Das Wertungskonzept der §§ 22/23 KUG gilt entsprechend. Das Charakterbild genießt stärkeren Schutz als das Lebensbild. Zitate, bei denen der Betroffene sozusagen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird, müssen richtig sein, auch wenn sie indirekter Rede oder gekürzt wiedergegeben werden; interpretiert der Berichterstatter das Zitat, dann muss er dies deutlich machen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Person gegen eine Ausbeutung von Persönlichkeitsgütern und zwar absolut, also auch Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, gegen die Verwendung von Bildnissen und Namen zu Zwecken der Werbung, darüber hinaus dagegen, dass die Person bzw. ihre Persönlichkeitsgüter zum unmittelbaren Kaufgegenstand gemacht werden (Beispiel: Fußballbilder). Die Abgrenzung ist bei absoluten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte schwierig. Sie ist danach vorzunehmen ob eine Nutzung von Persönlichkeitsgütern durch Informationsinteressen der Allgemeinheit gedeckt ist oder ob eine bloße Vermarktung vorliegt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet in besonders gelagerten Fällen Schutz von Leben und Gesundheit gegen Gefährdung durch die Berichterstattung. Die Aufdeckung der Identität einer Person, ihres Aussehens oder ihrer Wohnanschrift kann auch in Fällen, in denen ein Informationsinteresse am Gegenstand der Berichterstattung besteht, dazu führen, daß wegen einer daraus folgenden Gefährdung der Person die Berichterstattung deren Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Presse ist zu wahrheitsgemäßer Berichterstattung verpflichtet (BVerfG NJW 1961, 819/821) eine Unwahrheit über eine Person zu wiederholen ist stets unzulässig. Ein Recht auf Wahrheit erkennt der BGH indessen mit Billigung des BVerfG nicht an. Ein Anspruch besteht nur, wenn die Unwahrheit ein anerkanntes Schutzgut des Persönlichkeitsrechts verletzt. Praktisch ist aber bisher die Wiederholung einer unwahren Behauptung noch nie für zulässig erklärt worden, weil sie mindestens eine Verfälschung des Lebensbildes zur Folge, wenn sie auch nicht direkt in die Ehre oder eine anderes Persönlichkeitsgut direkt eingreift.

Ein Unterlassungsanspruch kann sich auch auf die Namensnennung beziehen. Wenn über einen Vorgang berichtet werden darf, ist damit nicht gesagt, dass die beteiligten Personen namentlich genannt oder identifizierbar gemacht werden dürfen. Keine Probleme gibt es bei Berichten aus der Privat- und Öffentlichkeitssphäre. Bei Berichten aus der Privatsphäre ist ohnehin entweder eine Einwilligung erforderlich oder ein überwiegendes Informationsinteresse der Allgemeinheit – beides deckt dann auch die Namensnennung. Bei Berichten aus der Öffentlichkeitssphäre erstreckt sich das Informationsinteresse in der Regel auch auf beteiligte Personen – außer auf nur am Rande beteiligte Dritte. Diese erkennbar zu machen ist unzulässig.

Die Frage der Zulässigkeit der Identifikation stellt sich demzufolge in erster Linie bei Berichten aus der Sozialsphäre, etwa bei Berichten über Unglücksfälle, Verkehrsunfälle, Straftaten, Selbstmorde, öffentliche Skandale und andere Aufsehen erregende, für das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit kritische Vorgänge und insbesondere bei der Gerichtsberichterstattung.

Unrechtmäßig erlangte Informationen – etwa unzulässiges Mithören oder Mitschneiden von vertraulichen Telefongesprächen, Einschleichen in geschützte berufliche oder private Bereiche, Bruch einer gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflicht – sind nicht generell gegen Veröffentlichung geschützt. Das sind sie nur, wenn die Verbreitung selbst ein geschütztes Rechtsgut verletzt oder als sittenwidrig einzustufen ist. Wenn der Informationswert der Nachricht deutlich schwerer wiegt als der Rechtsbruch bei der Beschaffung der Information, dann können auf die Art der Beschaffung der Information keine Ansprüche gegen deren Verbreitung gestützt werden.