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Online Lexikon Presserecht

Wo ist Vorsicht angebracht

Zu der Frage der Namensnennung oder sonstigen Aufdeckung der Identität gibt es eine vielfältige Rechtsprechung, die aber nicht immer einheitlich ist.

1. Negative Bekenntnisfreiheit, abgeleitet aus Art. 4 GG: die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaften oder Sekte muss niemand zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen werden lassen. Selbst Mitgliedern von Sekten wie z.B. der Scientology Church gewährten Gerichte teilweise den prinzipiellen Schutz der Anonymität durch das Verbot der Identifizierung. Mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts wurde sogar die Nennung von Scientology-Mitgliedern als unzulässig angesehen, die der Organisation große Spendenbeträge zugewandt hatten und in Verbandspublikationen als Spender ausgewiesen waren. Meistens gewichtet die Rechtsprechung aber das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die Aktivitäten der Scientologen höher als die negative Bekenntnisfreiheit des einzelnen Mitglieds.

2. Namensnennung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit: Ist mit ihr keine sonstige Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen verbunden, so gilt sie als zulässig. Die Namen von Rechtsanwälten im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Prozesse von allgemeinem Interesse dürfen genannt werden, die Namen von Notärzten einschließlich ihrer Dienstbereitschaft ebenfalls. Vorsicht ist geboten, wenn es um die Ermittlungsverfahren in der beruflichen Sphäre geht. Wegen der Gefahr, dass der Betroffene das Vertrauen seiner Kunden und damit die Basis seiner Berufstätigkeit verliert, wird sie nur zulässig sein, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung vorliegen.

3. Vorsicht ist bei der Nennung von Straftätern geboten, ebenso von Personen gegen die strafrechtliche Ermittlungsverfahren ohne Bezug zu ihrem beruflichen Wirkungsfeld eingeleitet wurden. Hier ist die Namensnennung aber nicht in jedem Fall unzulässig. Mit der Veröffentlichung einer Liste mehrerer tausend ehemaliger inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine persönlichkeitsrechtsverletzende Prangerwirkung zu Lasten derjenigen Betroffenen verbunden, die in das Informationssystem der Stasi zwar als Mitläufer eingebunden waren, die aber weder dort eine exponierte Stellung noch in der Zeit nach der Vereinigung Deutschlands eine herausgehobene Position im öffentlichen Leben bekleideten. Für eine entsprechende Liste der ranghöchsten hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter kann dies hingegen nicht gelten.

Prinzipiell gelten für die Abwägung dieselben Kriterien, welche die Rechtsprechung im Rahmen der §§22, 23 KUG für die Bestimmung der Grenzen des Rechts am eigenen Bild entwickelt hat.