Online Lexikon Presserecht
Privileg der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung
Wenig Sorgen müssen sich die Parlaments- und Gerichtsberichterstatter machen: Was sie schreiben, ist der Gegendarstellung entzogen – selbst wenn der Betroffene beweisen kann: die im Parlament oder Gericht gefallenen Aussagen, die ein Artikel wiedergegeben hat, sind unrichtig. Wahr sein muss allerdings, dass die Aussagen gefallen sind.
Das Privileg der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung ist eine gesetzlich festgelegte Ausnahme von der Regel, dass die Medien nicht nur für selbst getroffene, sondern auch für die Aussagen Dritter verantwortlich sein können, die sie verbreiten.
Für den Bundestag und seine Ausschüsse ergibt sich dieses Privileg unmittelbar aus Art. 42 Abs. 3 GG, für die Parlamente von Ländern und Kommunen sowie die Gerichtsberichterstattung (außer Bayern) aus §§ 10 bzw. 11, 12 Abs. 5, Sachsen 6 der Landespressegesetze. Einzelne Landespressegesetze gehen noch weiter: Sie privilegieren Berichterstattung auch über internationale parlamentarische Organe bzw. die beschließenden Organe der Europäischen Gemeinschaft.
Allerdings: der Bericht muss wahrheitsgetreu sein! Wenn (in dem Bericht, nicht in der Sitzung über die berichtet wird) Tatsachen wiedergegeben werden, die nicht stimmen, oder Äußerungen, die nicht oder nicht wie berichtet gefallen sind, kann sich die Redaktion auch nicht auf die Privilegierung der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung berufen.
Anders ausgedrückt:
- Macht ein Betroffener geltend, eine in einer Parlamentssitzung oder einer Gerichtsverhandlung getroffene Aussage sei inhaltlich unwahr, so hat er keinen Gegendarstellungsanspruch.
- Behauptet er, der Bericht sei unwahr, weil eine zitierte Äußerung in der Sitzung nicht oder nicht so gefallen sei, hat er Anspruch auf Abdruck.
- Das OLG Hamburg ist der Auffassung, dann müssten die Gerichte – anders als sonst im Gegendarstellungsrecht – die Wahrheit ermitteln.
Die Rechtsprechung hat das Privileg der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung weit ausgelegt. Es entfällt nicht, wenn ein Artikel nicht ausdrücklich als Parlaments- oder Gerichtsbericht ausgewiesen ist. Auf den Inhalt kommt es an!
Und die Richter sind auch mit den Journalisten hinsichtlich der Wiedergabe von Aussagen nicht über Gebühr streng: Der Journalist darf zusammenfassen, Schwerpunkte bilden, über Ausschnitte oder Teilkomplexe der Erörterungen berichten und er muss auch nicht exakt wörtlich zitieren.